Kerikeri, New Zealand
Cape Reinga, New Zealand
Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Auckland in den Norden an das Cape Reigna gestaltet sich auf Grund von schlecht abgestimmten Busverbindungen langwierig. Mehr als 2 Tage dauerte es, um an den Bestimmungsort zu gelangen. Die letzten 100 km sind keine Linienverbindungen mehr verfügbar, also musste ich eine Touristentour buchen, die neben der Anreise zum nördlichsten Punkt Neuseelands auch noch einen Ausflug zu ehemaligen Bernstein Ausgrabungen des 19. Jhdts. beinhaltete, sowie ein 3. klassiges Mittagessen an einer Tankstelle.
Diese Bernstein-Felder waren vor allem deshalb sehr interessant, weil man dort aus riesigen Moorgebieten gut erhaltene, freigelegte und nicht versteinerte Kauri-Bäume bewundern konnte, deren Stämme an die 100.000 Jahre alt waren.
Auf der Fahrt hatte ich Leicester kennengelernt, einen etwa 65 jährigen bulligen Neuseeländer mit beeindruckendem Händedruck. Wir waren relativ rasch ins Gespräch gekommen und beim Thema Sport stellte sich dann heraus, dass er vor 40 Jahren für die Neuseeländische Nationalmannschaft – die „All Black’s“ – relativ lange sehr erfolgreich Rugby gespielt hatte. Er war selbst hier Tourist und kommt von der Südinsel Neuseelands – ein Wiedersehen ist vereinbart, wenn ich bei ihm vorbeikomme.
Cape Reigna teilt das Meer – zur linken Hand befindet sich die Tasmanische See, zur rechten Seite der Pazifische Ozean. Cape Reigna ist ein touristischer Hotspot, dem entsprechend viele Touristen waren beim Leuchtturm vor Ort. Es war bereits nach 13 Uhr, eine mehrstündige Tagesetappe stand noch an, also blieb nicht viel mehr Zeit als für das obligatorischen Foto mit den den Richtungsweisern. Kurz darauf ging’s ab in Richtung Süden.
Der Start war mit einem eigenartigen Gefühl verbunden. 2 Rucksäcke um und eine Fototasche – die Last von 35 Kg oder mehr lehrt Demut. Bei meiner letzten Tour durch den Himalaya war das Gepäck fast das Selbe, gefühlt war es aber um einiges leichter – zumindest in meiner Erinnerung. Wie auch immer – die ersten Schritte von den Klippen hinunter auf den Strand waren schnell gesetzt. Der Sand ist hart und sehr einfach zu gehen, erst in den Dünen wird es ungemütlicher. Weicher Sand, Sonne und Schwerkraft lassen den Blutdruck ansteigen und gaben einen ersten Eindruck davon ab, was mich wohl in den nächsten Monaten erwarten würde.
Das erste Camp für die erste Nacht war mit leichter Verzögerung erreicht, drei andere Wanderer waren ebenfalls vor Ort. Nachdem sie alle aus dem Regentank unbehandeltes Wasser zu sich genommen hatten, tat ich es ihnen gleich. Am nächsten Tag musste ich dann die Tagesetappe bei etwa der Hälfte des geplanten Ziels abbrechen. Plötzliche Niedergeschlagenheit und Übelkeit machten ein weitergehen unmöglich. Kurz nach dem Aufstellen des Zeltes ging’s dann los. Nachdem ich mich zweimal übergeben hatte, war die Kehle zu. Die Übelkeit war lästig, nichts ging mehr runter. Zum Glück war der gewählte Zeltplatz an einem geeigneten Bach mit Frischwasser.
Die Nacht durch Krämpfe und Übelkeit geplagt, war am nächsten Morgen Ausnahmezustand. Normalerweise dauert es 1 1/2 Stunden vom Aufstehen bis zum Abmarsch. An jenem Morgen waren es Vier. Besserung war nicht eingetreten, der Hals war noch immer dicht. Schön langsam machte ich mir Sorgen, nicht einmal abgekochtes Wasser ging runter. Früh morgens kamen einige Fischer in ihren Jeeps den Strand entlang, als ich aus dem Zelt herauskam, war weit und breit nichts von ihnen zu sehen. Hier zu warten schien keine gute Idee also, den Rucksack rauf und weiter.
Ungefähr 14 mühsame km dauerte es, als die erste Robbe fluchtartig vor mir den Abgang in Richtung Meer suchte. 300 m weiter traf ich dann Mike.
Mike war ein Maori-Fischer, der seinen weißen Jeep am Strand parkte und sich bereit erklärte, mich für eine Stolze Summe zur nächsten Krankenstation zu bringen. Die Mageninfektion und die Dehydration waren mit fachkundiger Hilfe und den geeigneten Mitteln rasch bekämpft. Trotzdem war eine zweitägige Erholungspause angeraten, also nicht zurück an den Strand sondern weiter nach Kataia, dem nächsten größeren Ort. In der Main Street Lodge hieß des dann einmal Wunden lecken, den Sand aus den Sachen bekommen und das Reisegepäck optimieren.
Alles was ich (hoffentlich) nicht brauchen würde, oder ich mir nicht sicher war, ob ich es jemals auf dieser Tour brauchen würde, wurde in diesen Rucksack gesteckt und mit der Neuseeländischen Post vorzeitig in die Heimat zurück befördert. Dies bedeutete für den weiteren Weg 6 1/2 Kg psychologisch wirksame und tragetechnisch erleichterte Last auf dem Rücken.
Zurück auf dem Trail erwarteten mich nun Wälder, wobei die Neuseeländischen Wälder nicht mit den durchforsteten herkömmlichen österreichischen Wäldern zu vergleichen sind. Die Kiwis nennen sie Bush – also ein wilder (Ur)Wald, der ohne Eingriff des Menschen vor sich hin wächst. Man steigt hier an der Westküste am Herekino saddle in den Wald ein und durchquert über mehrere Tage den Norden der Nordinsel in Richtung Osten, an die Pazifik Küste.
Das Unterholz ist sehr dicht gewachsen – Farne, mannshohe Gräser, Schlingpflanzen, Palmen, Bäume, unübersichtliches Wurzelwerk und andere tropische Pflanzen machten die Suche nach dem richtigen Weg zur Herausforderung – obwohl der Pfad hervorragend ausgezeichnet ist. Die Szenerie war wie in einigen der berühmten Kindermärchen – je tiefer man in den Wald hineinkam, umso dunkler wurde er. Vorm bösen Wolf brauchte man sich zwar nicht zu fürchten, obwohl verdächtig geraschelt hatte es einige Male. Von den Kauri-Bäumen ist bekannt, dass sie in ihrer jetzigen Form bereits vor 220 Mio Jahren auf dem Urkontinent Pangäa existiert hatten. Auch diese Wälder könnte man als Ganzes in diese Zeit zurückversetzen. In meiner Phantasie hätte es mich nicht gewundert, wenn plötzlich ein Velociraptor oder ein Tyrannosaurus Rex aus dem Unterholz gesprungen wäre, auf der Suche nach einem dicken, fetten Heinzi-Burger.
Während der zwei Tage Erholung hatte es ausgiebig geregnet – enge Schluchten und steile Abhänge zu erklimmen bzw. abzusteigen unter extrem matschigen und rutschigen Bedingungen reduzierten den Fun-Faktor auf Null. Vor allem die Abstiege hatten es in sich. Geschätzte 15 Mal pro Tag nach einem Köpfler ins Unterholz auf allen vieren wieder rauskrabbeln, ist mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken extrem anstrengend.
Aber auch solche Jungle-Camp Tage vergehen – wenn man dann nach 9 Stunden wieder aus dem Wald herauskommt, mutet der freie Blick auf das Farmland an, als ob man auf irgendeiner beliebigen österreichischen Alm wäre.
Die wilden Zeltplätze in solch eine Landschaft sind Traumhaft, einziges Manko sind die vom Vortag noch nassen und lehmigen Schuhe, die erst während der ersten paar Stunden des folgenden Tages trocken gelaufen werden müssen.
Um zum nächsten Wald zu gelangen, läuft man stundenlang durch Farmland, entlang von Forststraßen, durch Weiden und Höfe
Auch im zweiten Wald auf meiner Strecke in Richtung Osten waren die Bedingungen die selben. Vor dem dritten Wald hier im Norden der zu durchqueren war, hatte ich mich mit einem Farmer unterhalten. Der nächste Wald sei doppelt so lang und extrem dicht, es dauert mindstens zwei Tage um da durchzukommen, erzählte er mir. Vor kurzem hatte er einen seiner Hunde bei der Wildschwein-Jagd verloren – dieser hatte sich wohl im Wald verlaufen und sei nicht mehr wieder aufgetaucht. Bei solch matschigem Untergrund sei es zu gefährlich, meinte er.
Meine Beine und Knie waren aufgeschlagen und zerkratzt, die Kleidung verdreckt, die Motivation nach diesen unzähligen unfreiwilligen Flik-Flak’s und Spagate sowieso am Tiefpunkt, also fiel mir die Entscheidung leicht und ich drehte in Richtung der ungefähr 10 Km entfernten Hauptstraße ab. Es werden für mich noch viele Wälder und Strände bis in den Süden zu begehen sein, ich musste mich nicht gleich zu Beginn ernster verletzen.
Autostopp funktioniert selbst in meinem Alter in Neuseeland hervorragend – wahrscheinlich ist der mächtige Rucksack ein ein Mitleid erregendes Argument. Es dauerte nicht lange und Kerikeri war früher erreicht als geplant .
Kerikeri ist ein ungefähr 5000 Einwohner zählender Ort, kurz vor der Pazifik-Küste. Die Hauptattraktion sind das Stone Store House und das Kemp House, die beiden mit ca. 180 Jahren ältesten Häuser Neuseelands. Sie sind weitestgehend in ihrer ursprünglichen Form erhalten und frei für Besucher zugänglich.
In Kerikeri war wieder ein Ruhetag angesagt, von hier verläuft die Route zuerst noch ca. 20 Km in den Osten direkt an die Küste von Waitangi und Pahia, um dann in Richtung Süden nach Whangarei abzudrehen.
Bis bald, Heinz