Shekhawati, Rajasthan
Ich war zwei Tage vor Nigel in Dehli angekommen, deshalb konnte ich die verbleibende Zeit nutzen um einen halbwegs vertrauensvollen Motorradhändler zu finden, der uns beim Kauf seiner Royal Enfield nicht total übers Ohr haut. Motorrad- und Ersatzteilhändler sowie Werkstätten für Royal Enfields erstrecken sich über zwei Strassen in Zentrum von Delhi. Ich musste meine Prinzessin sowieso wieder einmal reparieren lassen, also konnte ich das gleich mit der Suche kombinieren.
Während ich einige Händler aufsuchte, wurde meine Prinzessin wieder auf Vordermann gebracht. Die „Werkstatt“ befindet sich am Straßenrand unter freiem Himmel, die Werkzeugkiste des Mechanikers ist mit einer Fahrradkette an einen Laternenpfahl gekettet.
Innerhalb von einer Stunde war ein Gebrauchtmotorradhändler mit gutem Angebot gefunden, der von seinen Preisvorstellungen halbwegs vernünftig war. Mein Reisebegleiter für die nächsten Wochen musste dann nur mehr eines aussuchen und zuschlagen.
Wir hatten in Neuseeland nur am Rande Details zur Tour besprochen. Nigel hatte keinen Motorrad-Führerschein, aber lt. eigener Aussage ausreichend Erfahrung bei Enduro Rennen gesammelt. Mir war zu Beginn schon etwas mulmig, weil der indische Verkehr vor besondere Herausforderungen stellt. Nachdem ich mit ihm das erste Mal als Motorad-Tour-Guide unterwegs bin, konnte ich das nicht so richtig einschätzen. Glücklicherweise ist er ein hervorragender, sehr sicherer, nervenstarker Motorradfahrer, d.h. wir konnten ohne Abstriche alle Strecken mit maximalem Fun-Faktor fahren.
Die Abfahrt von Delhi erfolgte in Richtung Rajasthan. Rajasthan im April/Mai ist natürlich ein Wahnsinn, die beste Reisezeit ist normalerweise von November bis Februar. Temperaturen von 50° C und mehr sind zu erwarten, der Asphalt heizt sich auf und lässt durch die Abstrahlung die Temperatur nochmals um 10° – 15° Grad höher steigen. Mit Engagement und ausreichend Verrücktheit kann man aber auch diese Umstände überwinden.
Shekhawathi ist eine ungefähr 14.000 km² große Region im Nord-Osten von Rajasthan und vor allem für seine wunderschönen Havelis – alte, bemalte Herrenhäuser – bekannt. Unsere erste Station war Mandawa, eine kleine Stadt im Zentrum von Shekhawati, der ideales Ausgangspunkt für Tagestouren durch die Region.
Wir waren spät am Abend, bereits im Dunkeln in dem Ort angekommen – nachdem um diese Jahreszeit kaum Touristen unterwegs sind, war es nicht besonders schwer, ein Zimmer in einem Haveli zu moderaten Preisen zu finden. Madawa selbst besitzt ebenfalls eine Vielzahl von alten Havelis, die man auf Streifzügen durch den Ort entdecken kann.
Die Region Shekhawati hat Jahrtausende alte Handelstradtition, der Reichtum der Vergangenheit sieht man an jeder Ecke, an jedem Haus. Ein Besonderheit ist die Tatsache, dass von den reichsten Familien Indiens ungefähr 50 aus dieser Region stammen. Besonders sichtbar wird das, wenn man nach Alsisar, ungefähr 50 km nördlich von Mandawa fährt.
In Alsisar hat der letzte Maharadja einen Palast als Hotel gebaut. Nachdem keine Gäste im Haus waren, bekamen wir nach einem Cay eine Führung durch die Anlage.
Der Chef-Koch des Hotels hatte nichts zu tun, also hat er sich bereit erklärt, gegen eine freiwillige Spende uns auch durch den Ort zu führen und uns ebenfalls alte, normalerweise nicht zugängliche Havelis zu zeigen.
Der Spaziergang durch so einen idyllischen, verlassenen Ort mit einem Einheimischen ist schon etwas besonderes.
Das Haveli, dass wir betreten durften gehört der den Generalimporteuren von Honda in Indien, eine sehr reichen Familie, die in Agra ein paar hundert Kilometer im Süden, lebt.
Weiter im Süden, im Ort Nawalgarh, konnten wir ein besonders gut erhaltenes Haveli, das als Museum für Besucher geöffnet ist, besuchen. Die Farbenpracht und liebe zu Detail in diesen Häusern ist schon etwas besonderes.