Manali, Himachal Pradesh, Indien
Manali ruft – von Korzok wurde es eine 2-Tagesreise über 5 hohe Pässe. Bereits um 1/2 6 Uhr morgens war Abfahrt, wir wollten an diesem Tag so weit wie möglich kommen. Der erste markante Landstrich war der Tso Kar, ein Salzsee auf dem Weg zum Leh-Manali-Highway.
Am Highway angelangt, waren die nächsten 50 Km in Richtung Süden hervorragender Asphalt. Bis es halt wieder in die Berge ging. Der Rückreiseverkehr von Leh nach Manali setzte um diese Jahreszeit schön langsam ein, die indischen Ferien neigen sich dem Ende zu. Die hohen Pässe auf dem Highway garantieren einen herrlichen Ausblick.
Wir hätten es fast am gleichen Tag die 450 Km von Korzok nach Manali geschafft, aber ein Defekt an Nigel’s Motorrad hielt uns ungefähr 2 Stunden auf. Das Risiko, vom letzten Pass in der Dunkelheit runter fahren zu müssen, war zu groß. Deshalb legten wir noch eine Nacht am Fuße des Rothang Passes ein, um erst am nächsten Morgen diesen zu überqueren und die Serpentinen im Tageslicht runter zu fahren. Auf dem Highway hatten wir unterwegs einen jungen Deutschen getroffen, der mit seiner Africa Twin den gleichen Weg hatte wie wir. Er war den ganzen Weg von Deutschland bis hier her gefahren, um irgendwann innerhalb der nächsten Monate nach Australien zu gelangen. Wir entschlossen uns die Nacht gemeinsam zu verbringen – es war nicht so einfach, ein passendes Zimmer zu finden. Schließlich wurde uns eines mit heißer Dusche angeboten. Die Dusche bestand aus einem Kübel mit einem selbst konstruierten Tauchsieder. Meine beiden Begleiter versuchten sich zu duschen – beide fingen einen Stromschlag ab. Darauf hin verzichtete ich auf dieses Vergnügen.
Am frühen Morgen konnte man die Straßenarbeiter die an den Ufern des Flusses in ihren Plastik-Planen-Baracken übernachten auf dem Weg zur Arbeit beobachten. Diese Menschen kommen meist aus dem Süden Indiens und arbeiten hier im Straßenbau für Kost und Logis, sowie ein geringes Taschengeld.
Die Auffahrt auf den Rothang-Pass und das anschließende ausrollen nach Manali waren ein würdiger Abschluß der zwei-monatigen Motorradtour mit meinem Neuseeländischen Begleiter Nigel durch den Norden Indiens. Ein letzter Blick auf die hohen Berge des Himalayas, ab jetzt geht es für ihn nur mehr bergab.
Der letzte Abend in Manali war feucht und schmerzvoll – feucht wegen der Biere und schmerzvoll, weil wir uns gemeinsam das Fussballspiel Österreich-Ungarn bei der EM in Frankreich angesehen hatten. Eine solche Niederlage geht durch Mark und Bein. Nigel musste zurück nach Delhi, weil er zwei Tage später seinen Flug in Richtung Heimat erreichen wollte. Durch diese Erfahrungen der letzten Wochen, war es für ihn überhaupt kein Problem, diese paar hundert Kilometer durch die Ebene nördlich von Dehli alleine zu bewältigen. Für mich ging es wieder zurück in die Berge, nach Leh. Ich hatte mit meinem Reisebegleiter auf meiner ersten geführten Tour wirklich Glück. Ein toller Kerl, mit den gemeinsamen Erlebnissen wurde er zu einem richtigen Kumpel. Vereinbart ist, dass er in naher Zukunft wieder eine Tour mit mir fahren wird.
Der Weg zurück nach Leh dauerte wieder einmal länger als gedacht. Ich war wirklich sehr erstaunt, als ich kurz nach dem Verlassen von Manali auf die Wagenkolonne gestoßen bin, die sich im Stop-and-Go die Serpentinen des Rothang-Passes hinauf gewälzt hatte. Mit dem Motorrad kann man eigentlich ständig überholen, es hatte aber trotzdem um zwei Stunden länger gedauert, den Pass zu erreichen.
Der Grund dafür waren indische Tagestouristen, die von Manali aus zumindest einmal in ihrem Leben mit richtigem Schnee in Berührung kommen wollten. Tausende von Menschen stapften über die wenigen, verbliebenen Schneefelder auf der Passhöhe. Die Abfahrt in Richtung Norden, nach Leh war dann Gott sei Dank frei von jeglichem Verkehr.
Das nächste Hindernis war dann schon mit etwas größerer Tragweite – bei der Abfahrt vom Baralacha La Pass war mir mein Gepäckträger gebrochen. Aber nicht nur an einer Stelle sondern ganz. Die beiden Reserve-Kanister mit Benzin schlugen Leck. Bevor ich sie in den Tank umfüllen konnte, hatte ich bereits die Hälfte meines Benzins verloren. Behelfsmäßig konnte ich mit etwas Draht und einem Seil den Träger soweit am Motorrad befestigen, dass ich zumindest in sehr langsamen Tempo nach Leh weiterfahren konnte. In den Bergen zwischen den Pässen gibt es keine Möglichkeit, irgend etwas schweißen zu lassen.
Der letzte hohe Pass vor Leh ist gleichzeitig der 2.höchste mit einem Fahrzeug zu überquerende Pass der Erde. Die letzten Kilometer nach Leh sollten jetzt entspannt und ruhig von statten gehen. Dachte ich mir zumindest. Aus den Bergen heraus fuhr ein roter, vollbesetzter Pick-Up. Ich wollte ihn mehrmals überholen, aber entweder er hörte mich nicht oder der Fahrer wollte die Straße nicht frei machen, also entschloss ich mich noch langsamer als sonst hinter ihm nach zu fahren. Als wir durch ein kleines Dorf fuhren war ich plötzlich in einer Action-Szene wie in einem Hollywood-Film. Das Auto fuhr ungebremst nach links in eine Steinmauer, stieg hoch und blieb auf der Seite liegen. Ich trat sofort in die Bremsen, aber trotz einer 20 m langen Schleifspur konnte ich die Kollision nicht mehr zur Gänze verhindern. Der Aufprall war noch heftig genug, um sein Rücklicht zu durchschlagen, Verletzung trug ich keine davon.
Ich hatte ein wirklich ungutes Gefühl, da ich der Erste an der Unfallstelle war und die Leute im Auto zu schreien begannen. Aber nach der Reihe kamen andere Biker und Autos zur Unfallstelle, gemeinsam konnte wir die Verunfallten aus dem Auto befreien. Der Schock stand ihnen in das Gesicht geschrieben, ernste Verletzungen hatte keiner davon getragen. Laut eigenen Angaben war der Fahrer kurz hinter dem Steuer eingenickt.
Mit gemeinsamen Kräften wurde versucht, das Fahrzeug wieder aufzustellen. Es konnte wieder gekippt werden, leider war es aber so blöd gefallen, dass es zur Hälfte auf der Mauer geparkt wurde.
Ich war eigentlich zurück nach Leh gefahren, weil nun im Tiefland von Indien die Regenzeit ins Land zog. Durch die täglichen Regenschauer während des Monsuns war an entspanntes Motorrad-Fahren nicht zu denken. In Leh wollte ich die nächsten Wochen dazu verwenden, endlich mit Ruhe meinen Fotoblog auf den letzten Stand zu bringen. Leider ist gegenwärtig die Internet-Verbindung in Ladakh so schlecht, dass an ein ruhiges Arbeiten oder hochladen Fotos nicht zu denken war.
Also wieder einmal Planänderung. Mein Motorrad war schnell bei einem sehr guten Bekannten untergestellt und der nächsten Flug nach Österreich gebucht. Bis zum Ende der Regenzeit werde ich jetzt wieder in Graz verbringen, um dann im September/Oktober nach Leh zurück zu kehren und noch vor den einsetzenden Schneefällen des Winters die Berge mit meinem Motorrad in Richtung Osten verlassen. Dann sollte der Monsun ebenfalls zu Ende sein, einer weiteren entspannten Bike-Tour sollte nichts mehr im Wege stehen.
LG Heinz – bis bald!