Ashgabat, Turkmenistan
Wer glaubt, das Salzamt sei eine österreichische Erfindung, der irrt. Mit dem Betreten Turkmenistans bin ich das erste Mal mit der perfekten Verwirklichung einer postkommunistischen Administration in Berührung gekommen.
Nachdem die Fähre endlich im Hafen angelegt hatte, wartete ich gegen 2 Uhr Morgens an der Ladeklappe auf die Zollabfertigung. Die fünf Herren in ihren Uniformen marschierten im Gänsemarsch erhobenen Hauptes an mir vorbei, würdigten mich keines Blickes und verschwanden im Bauch des Schiffes. Essen und Trinken, meinte einer der Matrosen. Bevor sie zu arbeiten beginnen, brauchen sie zuerst einmal eine anständige Verpflegung. Nach einer ½ h das ganze kehrt – wieder gings im Gänsemarsch an mir vorbei zum 200m entfernten Abfertigungsgebäude, um mich nach weiteren 10 Minuten von einem Soldaten holen zu lassen.
Die Fakten für die nächsten 3 ½ Stunden Einreiseprozedur: Ich war der einzige abzufertigende Tourist, musste dabei durch 9 verschiedene Büros in denen 20 Formulare händisch von den Beamten ausgefüllt – manche mangels Durchschlagpapier sogar doppelt – und mit mindestens 70 Stempeln versehen wurden, zusätzlich wurden der Reisepass und die Fahrzeugdokumente in 10 verschiedenen Schulheften erfasst. Mit 4 verschiedenen Laufzetteln lief ich im Kreis, aber so, dass ich mit ein und dem gleichen Zettel einige Büros mehrmals aufsuchen musste. Ich bezahlte insgesamt 147 USD an 5 verschiedenen Gebühren, wobei ich auf Grund administrativer Reizüberflutung irgendwann den Überblick verlor und eigentlich gar nicht wissen möchte, ob dieser Betrag gerechtfertigt war oder nicht. Als Ergebnis hatte ich 6 verschiedene Dokumente für meine Reise durchs Land in den Haenden ohne die eine Ausreise nach 5 Tagen nur schwer möglich wäre.
Der einzige Computer in der Abfertigungshalle wurden abwechselnd von jenen Beamten benutzt, die gerade nicht mit mir beschäftigt waren – nämlich zum Mahjongs spielen.
Für ein hoffentlich einmaliges Ereignis in meinem Leben sorgte jener Zöllner, der in doppelter Ausfertigung den Zulassungsschein meiner Kati zu erfassen hatte. Die Arbeit war schon mangels Sprachkenntnis für ihn mühsam und schien ihn so anzustrengen, dass er mitten in der Fahrzeugidentifikationsnummer den Kugelschreiber weglegte, an die Rückseite seines Büros zum Sofa ging, die Füße hochlegte und sich bei geschlossenen Augen erstmals für 20 Minuten erholte, während ich weiterhin geduldig vor seinem Schreibtisch stand. Seine Regenerationspause dürfte ihn inspiriert haben, denn als er zurück kam verlangte er Aufklärung bezüglich des Wortes Zürich in meinem Zulassungsschein.Die Frage an sich empfand ich schon als Sensation in einem Land, in dem die meisten bei der Unterscheidung zwischen Austria und Australia passen. Es dauerte jedenfalls weitere 15 Minuten um halbwegs verständlich klar zu legen, dass es sich dabei um eine Versicherung und Zulasssungsstelle und nicht um die gleichnamige Schweizer Stadt handelte. Ob er es wirklich verstanden hatte bin ich mir nicht sicher, jedenfalls gab er irgendwann auf und schrieb sein Formular gemächlich zu Ende.
Im Morgengrauen konnte ich das Hafengelände verlassen und fuhr Richtung Stadtzentrum, um für die Weiterreise nach Ashgabat voll zu tanken. Tankstelle war im ersten Anlauf keine zu finden, Turkmenische Manat hatte ich auch keine, also versuchte ich an einem Taxistand etwas herauszufinden. Im Nu war ich von einer Menschentraube umringt und als sie mein Anliegen erkannten, boten sie mir bereitwillig an, meinen Tank für 20 USD zu füllen. Aus dem Internet wusste ich, dass man für 1 € ungefähr 7 Liter Super 95 bekommt, also lehnte ich dankend ab.
Die niedrigen Benzinkosten relativieren sich, da man als Tourist zusaetzlich pro zurueckgelegten 100 Km im Land 4 USD an Wegezoll zu entrichten hat.
Auch als ich sie darauf hinwies beharrten sie in eifriger Diskussion mit dem Argument darauf, dass ich als Ausländer den europäischen Preis zu bezahlen hätte.
Irgendwann fand ich dann doch eine Tankstelle aus den 40er Jahren, die noch dazu Dollar akzeptierte. Die Zapfsäulen waren antiquiert und die Anzeige blieb bei 29 Litern stehen. Es dauerte wieder einige Zeit bis ich dem Tankwart klarmachen konnte, dass mein Tank eigentlich nur 25 Liter fasst und ich noch Benzin für mindestens 150 Kilometer hatte. Nach zähen Verhandlungen einigten wir auf 17 Liter, wobei 1 oder 2 Liter mehr oder weniger bei diesem Preis wirklich keine Rolle spielen.
Bereits die ersten Stunden in Turkmenistan waren anstrengend und es sollte sich bis zur Ausreise weder im Umgang mit Behörden noch mit den Menschen wirklich etwas daran ändern. Die Ursache dafür liegt meines Erachtens im politischen System.
Als sich im Jahre 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion die Turkmenische Teilrepublik für unabhängig erklärte, ergriff der damalige Vorsitzende der Turkmenischen Kommunistischen Partei Saparmurat Niyazov die Macht im Lande. Die Opposition wurde verboten, Medien zensiert und es entwickelte sich ein Personenkult um den Präsidenten, der zur Errichtung von tausenden Denkmälern und goldenen Statuen mit dem Ebenbild Niyazovs im ganzen Land führte.
Auf dem 75 m hohen Turm der Unabhängigkeit dreht sich die goldene Statue Niyazovs immer der Sonne entgegen.
Mit dem Tod des Diktators im Dezember 2006 übernahm sein ehemaliger Zahnarzt und Mitglied der Regierung Gurbanguly Berdymuchammedow die Amtsgeschäfte, ohne das sich an der Gangart im Land grundlegendes änderte. Während seiner Amtszeit als Gesundheitsminister, wurden Krankheiten wie Aids oder Tuberkulose nicht systematisch bekämpft, sondern er ließ sie per Gesetz verbieten.
90 % der Fläche Turkmenistans sind Wüste oder Steppe, die restlichen 10 % werden im Süden des Landes durch den mit 1100 Kilometern längsten künstlichen Bewässerungskanal der Welt für die Landwirtschaft nutzbar gemacht.Dabei wird dem Fluss Oxus soviel Wasser entzogen, dass der ursprünglich gespeiste Aral-See austrocknet.
Durch die Wüste auf dem Weg nach Ashgabat
Die Erträge aus den Öl- und Gasvorkommen werden in prestigeträchtige Bauprojekte investiert. Der Reichtum geht an der Bevölkerung vorbei – Gas, Wasser, Strom und Kochsalz sind für die 5 Millionen Turkmenen zwar kostenlos, Benzin und Brot werden subventioniert. Da im Gegensatz zum Gas die Streichhölzer gekauft werden müssen, brennen in den meisten Haushalten die Gasherde 24 Stunden am Tag. Trotzdem muss der Großteil der Menschen mit weniger als 200 USD im Monat auskommen.
Im Zentrum Ashgabats wurden ganze Stadtviertel geschliffen und die Bewohner ersatzlos auf die Straße gesetzt, um mit weißem Marmor getäfelte Monumental- und Regierungsbauten zu errichten. Die breiten Alleen und Promenaden sind menschenleer, alle 100 Meter steht ein Polizist. Das Gesamtkonzept wirkt wie die Verwirklichung einer Mischung aus Disney Land und Germania – sympathisch ist anders. Für mich ein Grund, den Aufenthalt kürzer als ursprünglich geplant zu gestalten.
400 Kilometer weiter östlich entlang des Bewässerungskanals liegt Merv, die beeindruckenste historische Stätte Turkmenistans. Merv, die einstige „Königin der Welt“, neben Damaskus, Baghdad und Kairo eines der großen islamischen Zentren vergangener Tage, war bis zur vollständigen Zerstörung im 13. Jahrhundert durch Chingis Khan ein zentraler Knotenpunkt der Seidenstraße. Der ehemalige Schmelztiegel aus Kulturen und Religionen gilt noch heute neben Samarkand als Inspiration für Sherazades „Märchen aus 1001 Nacht“.
Frauen bringen an den heiligen Stätte in Merv Stoffbänder an den Bäumen an, das soll fruchtbar machen und Glueck bringen. Kati immer wieder von Schaulustigen umringt…
Der Sturzbügel war wieder mal zum Schweißen…
In den Norden geht’s wieder vorbei an Ashgabat, 700 Kilometer durch die Wüste Karakum, die heißeste Zentralasiens, weshalb ich die Entscheidung traf zumindest einen Teil der Strecke in der Nacht zu fahren. Wegweiser gibt es keine, die Menschen sind solange es nicht ums Geschäft geht nett, geben bereitwillig Auskunft auch wenn sie gar nicht verstehen um was es geht. Nicht Wissen bedeutet Gesichtsverlust, also wird irgendetwas geantwortet bevor man gar nichts sagt.
So kann es passieren, dass wenn man zwei Männer nebeneinander nach dem Weg fragt, sie gleichzeitig in die entgegengesetzte Richtung zeigen. Oder wenn man den gleichen zwei Mal frägt, er zwei Mal in eine unterschiedliche Richtung zeigt. Deshalb ist es wichtig, mindestens zwei oder drei Personen Unabhängig voneinander zu befragen und erst wenn alle in die gleiche Richtung zeigen, sollte man den Weg wählen.
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme landete ich bei der Suche nach der richtigen Straße irgendwo im Sand zwischen Weingärten und Kamelherden und es dauerte Stunden, bis ich endlich auf dem passenden Weg nach Norden war. Da es bereits dämmerte bemerkte ich relativ bald, dass die Lichtanlage ausgefallen war. Ersatzsicherungen standen zwar auf meiner Liste, besorgt hatte ich sie jedoch nicht. Das Etappenziel war mitten in der Wueste, also noch ungefähr 350 Kilometer entfernt – ein Gasthaus bei dem man auch Benzin erhalten kann. Eine Nachtfahrt ohne Beleuchtung ist wegen der Tiere, der Sandverwehungen und der LKW’s nicht ratsam. Also wartete ich am Straßenrand auf einen LKW-Konvoi, setzte mich dazwischen und fuhr unter Geleitschutz 160 Kilometer bis zur nächsten Polizeistation nach Yerbent. Entlang aller Straßen in Turkmenistan sind im Abstand zwischen 30 und 50 Kilometer fixe Polizeistationen eingerichtet, an denen systematisch Verkehrskontrollen durchgeführt werden. Auf der gesamten Strecke durch die Wüste sind es allerdings nur zwei.
Anscheinend gibt es mit dem neuen Präsidenten einen Erlass Touristen nicht zu kontrollieren, ich wurde nämlich kein einziges Mal aufgehalten, obwohl ich immer zu schnell unterwegs war.
Einer der Polizisten war bereit, sich von einer seiner Sicherungen um einen Preis zu trennen, für den er gut 100 Stück kaufen konnte. Mit Licht und forcierter Geschwindigkeit war die Raststation so gegen Mitternacht erreicht.
Die Hütte war voll mit LKW-Fahrern, zuerst wurde nur Tee getrunken, ein Wort ergab das andere und schlußendlich landeten wir bei Aragy – turkmenischen Schnaps. Die Stimmung war hervorragend, niemand verließ den Raum unter 2 Promille. Es gibt keine Sesseln, alle sitzen oder liegen auf dem Boden. Während ich in dieser Position bis spät in den nächsten Morgen durchschlafen konnte, mussten die armen Burschen im Rausch in ihre LKW´s und weiter.
Nach dem Frühstück mit der Wirtsfamilie war der erste Wüstentrip zu den Gaskratern von Derveeza geplant. Diese künstlichen Gaskrater mit einem Durchmesser von vielleicht 70 Metern sind ein Relikt aus den 50er Jahren von der Suche nach Gasvorkommen. Sie brennen seitdem durch, in der Nacht ist ihr Schein bis an die Straße sichtbar.
15 Kilometer mit Gepäck und abgefahrenen Straßenreifen über die Dünen der Sandwüste sind kein Vergnügen. Der Hinweg war wegen der Dünenabfahrten noch halbwegs zu bewaeltigen, am Rückweg war dann Schluss mit Lustig. Wenn das Motorrad war bis zu den Fußrasten im Sand vergraben ist geht nix mehr. Also das Gepäck herunter und die Dünen hinaufgeschleppt, das Motorrad ausgegraben, herausgehoben und nach mehreren Versuchen über unterschiedliche Routen war endlich der Duenengipfel erreicht.
An der einzigen Tankstelle im Umkreis von 300 Km… und der dazugehoerige Tankwart
Die letzte Station in Turkmenistan war Konye-Urgench, an der Nord-Ostgrenze zu Uzbekistan. Dieser Ort lag an der nördlichen Seidenstraße und wurde ebenfalls von Chingis Khan im 13. Jhdt zerstört. Die spärlichen Reste lassen den ehemaligen Glanz nur erahnen. Am Interessantesten für mich war ein heiliger Lehmhügel inmitten der Anlage, das Zentrum der Schlacht gegen die Mongolen. Noch heute kann man an ausgewaschenen Stellen menschliche Knochen und Schädel erkennen.